„Tschernobyl–2“ Teil 1
Die Überhorizont-Radarstation „Tschernobyl–2” und und die Zentrale für Satellitenkommunikation
Vor einer Woche rief mich ein guter Bekannter, der Ökologe Serhij Paskevich aus dem Tschornobyler „Ecocenter“, an und fragte, ob ich Interesse an einem Besuch des legendären Objekts mit dem mysteriösen Namen „Tschernobyl–2“ hätte. Ich habe nicht lange überlegt. Dieses Meisterwerk aus der Nähe zu sehen; den Geist der vergangenen Epoche kalten Krieges mit seiner bunten Propaganda und seiner röhrenbasierten Elektronik zu verspüren? Was für eine Frage! Die ganze Woche saß ich wie „auf heißen Kohlen“ und wartete auf Neuigkeiten von Serhij. Und nun ist es soweit: die Kontrollausweise sind ausgestellt, genehmigt und unterschrieben...
17. Oktober 2007. Es ist morgens, 6:30. Ich setzte mich in mein Auto und fahre in die Zone...
Es ist 9:30. Ich fahre nach Tschornobyl hinein. Direkt an der Stadtgrenze, rechts neben der Straße, sehe ich einen Mann in Tarnkleidung. Das muß Serhij sein. Und schon lassen wir den Checkpoint „Leliw“ hinter uns (die Arbeiter der Zone nennen ihn nach dem örtlichen Dialekt „Ljelow“). Nach ein paar Kilometern biegen wir auf eine Betonplattenstraße, die von dichtem Tannenwald umgeben ist, ab. Zwischen den Bäumen am Horizont erscheinen die bekannten Konturen der zyklopenartigen Antennenfelder. Wir fahren rechts ab und landen vor dem Zufahrtstor. Am Kontrollpunkt treffen wir auf zwei Männer: einen Fünfzigjährigen und einen jungen Burschen um die 20. Die warm geheizte Stube erinnert mich an eines der üblichen Bauernhäuser von denen es hier viele gibt. Unsere Ausweise werden kontrolliert... Es scheint wohl alles in Ordnung zu sein... Wir lassen unser Auto neben dem Kontrollpunkt stehen und betreten das Gelände eines ehemals strenggeheimen Objekts des Verteidigungsministeriums der UdSSR, der Überhorizont–Radarstation „Tschernobyl–2“.
1. Der zentrale Platz
2. Propaganda, soweit das Auge reicht
3. Die Straße zu den Antennen. 4. Der Kontrollpunkt
5. Die Empfangsantenne des OTH-Radars Duga-3, bekannt als „Tschernobyl–2“
Wir stehen auf dem sandigen Untergrund vor dem Fundament der gigantischen, 150 m hohen Empfangsantenne. Mit all meiner Vorstellungskraft versuche ich die Größe der Konstruktion zu erfassen. Ich wiederhole wie in einem Gebet: „146 Meter beträgt die Höhe der großen Antenne (das sind ungefähr 45 Stockwerke, die Hälfte der Höhe des Eifelturms), 90 Meter ist die kleinere hoch, die Länge der beiden beträgt um die 750 Meter. Tausende Tonnen von Metall, eine Meisterleistung der damaligen Ingenieure und Konstrukteure.“ Man sagt: „Die Größe sieht man von Weitem“ – Mein Verstand akzeptiert es, die Augen jedoch wollen es nicht glauben.
Wie mächtig erheben sich die Antennen über dem Wald, wenn man sie von dem Feuerwehrturm in Korogod oder von der Straße, die von dort nach Tschornobyl führt, bewundert... Man sagt, daß die gesamte Konstruktion an windigen oder stürmischen Tagen pfeift und brummt... Und manchmal reißen mit einem lauten Knall die rostigen Schrauben.
Heute ist es ein überraschend ruhiger und warmer Herbsttag und neben den Antennen herrscht absolute Stille.
Der Bau der Radarstation Tschernobyl–2 hatte im Jahre 1970 begonnen. Augenzeugen berichten von dem außergewöhnlichen Kran, den man für die Montage der Antennen benutzte. Ein bemerkenswertes Detail, was damals alle erstaunte, war der Aufzug, der den Kranführer in sein Führerhäuschen beförderte. Die Einzelteile der Antennen wurden in Weißrußlands (Belarus‘) Werk „GomSelMash“ aus einem hochlegierten Stahl hergestellt. Sie wurden zusätzlich mit einer dicken Zinkschicht überdeckt - und selbst heute, mehr als dreißig Jahre später, sehen sie größtenteils noch aus wie neu. Tschernobyl–2 besteht aus zwei Empfangsantennen. Der Sender befand sich 60 Kilometer Entfernung in nordöstlicher Richtung nahe des Städtchens Ljubetsch (Kreis Tschernihiw). Von der Sendestation „Ljubetsch–1“ ist bis zum heutigen Tag nicht viel übrig geblieben. Nach dem Spaziergang bis ans Ende der zweiten Antenne gehen wir links ab und sehen vor uns ein zweistöckiges Gebäude.
6. „Zentrale für Satellitenkommunikation“Wir gehen hinein. Das, was wir dort sehen, unterscheidet sich kaum von dem typischen Zustand anderer solcher Objekte in der Zone: Überreste von von Schrottsammlern ausgeschlachteter Technik und Gerätschaften, verschiedene technische Anweisungen und Dokumentationen – auf dem Boden vermischt mit der ideologischen Literatur der damaligen Zeit.
Ich klettere die rostige Eisenleiter hoch und erreiche das Dach. Die leeren Betonsockel der Satellitenantennen sind auch gut auf Google-Aufnahmen zu erkennen.
Der nächste Halt unserer kleinen Expedition ist der „Kreis“ (Die Station zur Kurzwellenuntersuchung der Ionosphäre).
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