Von „Izumrudnoje“ wusste ich schon lange. Nach meiner Recherche war es ein Freizeitlager des Dowschenko Filmstudios. Es befand sich am Ufer des Kühlbeckens zwischen den Dörfern Leliv und Kopatschi. Außer den Mitarbeitern des obengenannten Filmstudios könnten sich dort sowohl das Personal des Lenin–AKWs, als auch Offiziere der
Während einer unserer Reisen in die Zone mit Sergej Paskewitsch, nämlich dem Ausflug nach Tschernobyl–2, beschlossen wir, „Izumrudnoje“ auch ein Besuch abzustatten. Das Freizeitlager befindet sich fast gegenüber der Betonplattenstraße die zum legendären obengenannten Objekt (einem Traum aller Fans von Psychotronik, fremden Besuchern, UFOs und hochlegierten Metalls) führt. Sie mündet in die Straße, die von Tschornobyl nach Pripjat führt. Dort lassen wir das Auto stehen um den weiteren Weg durch den Wald zu Fuß fortzusetzen.
Freizeitlager „Smaragdgrün“
Was mir über das Ferienlager „Smaragdgrün“ bekannt ist? Eigentlich gar nichts... Fast alle Bewohner aus Pripjat und Offiziere von „Tschernobyl–2“ können sich daran erinnern; aber irgendwie kommt nichts Konkretes dabei heraus. Viele erinnern sich mit großer Begeisterung daran: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön es dort war!“ und dabei bleibt es dann leider auch. Nach diesem Satz geht das Erinnerungsvermögen meist zur Neige. Eigentlich ist es nichts Außergewöhnliches. Ein einfaches Ferienlager, von einer schönen Natur umgeben – ein Strand, gute Angelmöglichkeiten, ein Kino, Kartenspiele, Domino, Bier (und vielleicht sogar etwas Härteres :)) – die herkömmliche Art der Entspannung für einen gewöhnlichen sowjetischen Menschen. Alle alltäglichen Probleme und Schwierigkeiten lässt man irgendwo in der Arbeit oder in einer Wohnung in Pripjat, der von Asphalt und Beton geprägten Stadt... Und hier? Hier kann man ein ganzen Tag mit einer Angelrute am Teich verbringen (selbst wenn die Fische nicht beißen) oder in der Gegend herumwandern und so tun, als ob man Pilze suche. Wem das Alles viel zu hektisch ist, der kann sich einfach auf ein für diese Einrichtungen typisches sowjetisches Bett, mit hölzernem Gestell und einem Metallnetz anstatt der Matratze, schmeißen und den ganzen Tag schlafen. Man kann aber auch tagelang überhaupt gar nichts tun, ohne deswegen Ärger zu bekommen :). Was soll ich vom Freizeitlager „Smaragdgrün“ berichten, wenn ich so gut wie gar nichts darüber weiß? Spätestens aber, als wir mit Sergej an dem Pförtnerhaus vorbei gingen und danach auf der Hauptallee, umgeben von halbzerstörten Hütten, landeten, wußte ich genau was ich schreiben werde...
„Smaragdgrün“ – ein typisches Ferienlager während der Periode des „entwickelten Sozialismus'“
(70er – 90er Jahre des 20sten Jahrhunderts)
Es ist schwierig zu sagen, wer von unseren “Führern“ die fabelhafte Idee hatte, das Arbeitervolk müsse die Ferien in Freizeitlagern verbringen. Bis in den 70er Jahren konnte sich der sowjetische Mensch in Kurhäusern oder Erholungsheimen erholen. Der Elite war die Möglichkeit gegeben, sich auf der eigenen Datscha zu entspannen. Ein Ferienlager, als eine Ansammlung von kleinen, billigen Holzhäusern mit einer dazu erforderlichen minimalen Infrastruktur, entstand in der UdSSR Ende der 60er, Anfang 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Ich kann nicht beurteilen, ob die Idee vom ganzen Land als revolutionär angesehen wurde. Ich versuche lediglich darzustellen, wie sich diese Erscheinung auf mich auswirkte: Jeden Sommer meiner Kindheit, ungefähr ab dem 5. bis zum 12. Lebensjahr, verbrachte ich meine Ferien in exakt so einem Ferienlager mit genau den gleichen einfachen Häusern, mit exakt der gleichen Einrichtung, dem gleichen Kühlschrank, Geschirr, usw.. Es lag am Ufer des Desna Flusses, nur 85 km von „Smaragdgrün“ entfernt und hieß „Sosnowiy Bor“ (Fichtenwald).
Allerlei Erinnerungen kamen in mir hoch, als ich zwischen diesen hundehüttengroßen Häusern herumwanderte. Die Sonne, das Aroma von geschmolzenem Fichtenharz, das Klopfen der Zapfen auf dem Dach, die Fichtennadeln, die durch die Löcher in meinen Schuhen die Füße pieksten, die knisternden Geräusche der Eichhörnchen, die an der Baumrinde kratzten, der heiße Sand am Ufer der Desna, der Duft der Pilze und Waldbeeren, das nächtliche Summen der Mücken und der Geruch des Parfums „Nelke“ (im Volksmund hieß es, er vertreibe nachts die Mücken. Schade nur, daß keiner auf die Idee kam, es den Mücken zu sagen :)). Hier lernte ich schwimmen. Hier ging ich zum ersten Mal in den Laden, um Paniermehl zu kaufen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich in den Laden lief und den ganzen Weg bis dorthin das Wort „Paniermehl“ im Kopf wiederholte. Hier las ich zum ersten Mal Bulgakows „Meister und Margarita“. Hier verliebte ich mich fürs Leben in den Fichtenwald und in das gelbe, schnell strömende Wasser der Desna. Im Lager rannte ich andauernd rastlos durch die Gegend. Nur die Erwachsenen können normal gehen oder einfach nur so stehen! Danach geschah „Tschornobyl“ und das Lager wurde geschlossen. In den 90ern wurde es wieder eröffnet; dann aber war meine Kindheit vorbei und so kehrte ich niemals mehr nach „Fichtenwald“ zurück.
Das Kino.
Das Kino war in unserem Ferienlager der beliebteste Zeitvertreib. Im Gegensatz zu dem Kino in „Smaragdgrün“ hatten wir im „Fichtenwald“ einen überdachten Kinopavillon. Die Filme besorgten die fröhlichen und angesagten Jungs aus dem Nachbarsdorf Nowosilki. Diese Jungs wurden von Allen sehr verehrt. Man nannte sie „Kinomechaniker“. Sie kamen mit einem „Dnjepr“–Motorrad mit Beiwagen und brachten in grauen Metallboxen die Filmbänder mit. Alle (die Kinder sowieso) wussten sofort – es würde ein Fest werden! :). Einen Tag zuvor hingen die gleichen Jungs ein selbst gebasteltes Kinoplakat aus. Und das hatte es in sich: mit Grammatikfehlern und verdrehten Wörtern sorgte der Aushang stets für lustige Momente in dem sonst so monotonen Leben der Gäste :).
In solchen Blechboxen waren die Fernsehgeräte untergebracht. Über Nacht wurden die Boxen abgeschlossen. Jedoch war das Fernsehen bei den meisten Gästen nicht besonders beliebt; obwohl die „ideenreichen“ Vertreter der älteren Generation sich dort täglich abends versammelten, um die Nachrichtensendung „Wremja“ zu sehen. Ich erinnere mich, wie ich bei einem meiner „Läufe“ in den Fernsehpavillon hinein rannte und mir einige Sekunden lang die Sendung „Informationsbüro TASS verkündet“ angeschaut habe. Es war langweilig und ich lief weiter, um die dringenden Angelegenheiten eines Kindes zu erledigen.
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