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Hisanohama, Iwaki (いわき市). Präfektur Fukushima. Der dritte Tag

Hisanohama, Iwaki (いわき市). Präfektur Fukushima. Der dritte TagDie Stadt Iwaki. 24.Dezember 2011. Um 7 Uhr morgens beladen wir unseren Minivan und starten in Richtung Ozean. Wir fahren zu einer Fischersiedlung namens Hisanohama. Die Dosisleistung steigt nicht über 0,2 uSv/h - soweit ist alles in Ordnung.

Iwaki (いわき市)

Die Stadt Iwaki ist einer der zentralen Orte in der Präfektur Fukushima, Region Tohoku und liegt am Ufer des Pazifischen Ozeans. Hier leben ca. 330.000 Einwohner. Die Entfernung bis zum AKW Fukushima-Daiichi beträgt etwa 43 km.

Die Stadt wurde im siebten Jahrhundert während der Nara - Zeit gegründet. Damals errichtete die Yamato Regierung die Schutzmauern um sich vor den Emishi (蝦夷),(die damalige japanische Regierung nannte sie "die Barbaren des Nordens") zu schützen. Übrigens, die Schutzmauer Nakoso (wortwörtlich " komme hier nicht her") zählt immer noch zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Der Name Iwaki lässt sich wie "felsiger Schloss" übersetzen. Dort herrschte der gleichnamige Clan Iwaki (岩城氏) der sich nach der Eroberung dieser Gegend im 11. Jahrhundert hier niederließ. Ende des 19. Jahrhunderts verwandelte sich Iwaki dank des Kohleabbaus und der Eisenbahn zu einer industriell geprägten Stadt. Nach dem Wirtschaftswunder der Sechziger Jahre rückte der Kohleabbau an die zweite Stelle und die Region wechselte die Prioritäten zu Gunsten der Kraftwerke. Zu den größten in der Region zählen die Fukushima Daini und Daiichi sowie das Kohlekraftwerk Hirono. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Region dank dem milden Klima und der Subventionen für die Kraftwerke.

Iwaki (いわき市). Präfektur Fukushima

Ein paar Wörter über die administrative Gebietsverwaltung in Japan als Ganzes und in Iwaki im Einzelnen. In Wirklichkeit gibt es hier keine Städte im europäischen Sinne. Es gibt sogenannte Konglomerate, die unter einem Namen mehrere Städte und Siedlungen vereinen. So besteht Iwaki zum einen aus den Städten Taira (平), Uchigō (内郷), Iwaki (磐城), Nakoso (勿来), Jōban (常磐); Stadtteilen Yotsukura (四倉), Tōno (遠野), Ogawa (小川) sowie Hisanohama (久之浜); und aus fünf Dörfern – Yoshima (好間), Miwa (三和), Tabito (田人), Kwamae (川前) und Ōhisa (大久). Taira wurde als ein Behördenviertel ausgewählt und zählt zum Zentrum von Iwaki.

Iwaki ist eine sogenannte „zentrale Stadt“. Von hier aus werden verschiedene soziale Bereiche wie Bildungs-, Gesundheit- und Finanzwesen, sowie Planung und Entwicklung verwaltet. Jedoch ist das Arbeitsvolumen der Behörden wesentlich geringer als das jenige der Städte die der Staatsebene untergeordnet sind. In der Präfektur Fukushima gibt es zwei zentrale Städte: Koriyama und Iwaki.

Iwaki kommt als Industriezentrum der Region Tohoku an erster Stelle. Außerdem ist es ein beliebter Touristenort der jährlich 7,64 Millionen Besucher anzieht. Wenn die Stadt Fukushima das politische Zentrum der Präfektur ist, steht Iwaki für Tourismus und Industrie.

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Hisanohama (久之浜)

Unser erstes Ziel für heute heißt Hisanohama. Auch wenn es zu den Städten zählt und sogar einen eigenen Hafen am Ozean hat (einer von insgesamt vier in iwaki), gilt Hisanohama als ein Teil der Stadt Iwaki.

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Nachdem wir uns auf Hisanohamas schmalen Straßen umgeschaut haben, führt uns der weitere Weg am Ufer des Pazifischen Ozeans entlang.

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Im Hafen stehen angedockte Fischerkutter. Nach der Havarie im AKW Fukushima-Daiichi ist der Fischfang hier verboten worden. Dieses Verbot ist nicht nur bloß eine formale Vorsichtmaßnahme der Behörden – der hier gefangene Fisch weist wirklich sehr hohe Cs134 und Cs137 Werte auf. Das örtliche radiologische Labor wird uns diese Information später bestätigen. Während der Reis und das Gemüse aus Iwaki nur geringfügig die zulässigen Cäsium Werte (bis 200 Bq/kg) überschreiten, geht es bei den Meeresprodukten hingegen um mehrere tausend Bq/kg.

Am Anlegeplatz unterhalten wir uns mit dem 52 jährigen hiesigen Fischer Shirotsugu Anoda. Er erzählt mit Begeisterung und Trauer zugleich dass dieser Fischplatz einer der besten in ganz Japan sei. Es war bewegend, als er sich vor den Fischern aus Hokkaido entschuldigte, trotzdem aber zugeben musste, dass deren Fisch nicht so gut ist wie der aus dieser Gegend. Er sieht keinen Sinn darin hier wegzuziehen, alles was er gehabt hatte war die Fischerei in dieser Gegend. Er erzählt wie er die besten Stellen zum Fischen am Ozean erkennt, an welchen Stellen und in welcher Tiefe sich die Fische aufhalten. In seinen Augen konnte man genau sehen, dass er diese Gegend und seine Arbeit wirklich liebt, und zwar aufrecht und von ganzem Herzen.

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Er beschwert sich nicht und hofft geduldig, dass er früher oder später im Ozean wieder fischen kann. Jeden Tag kommt er zu seinem Kutter um etwas zu reparieren, säubern und lackieren... Und wartet...

Wir fragen ihn ob die staatliche Entschädigung ausreichen würde und was sich für ihn finanziell mehr lohnen würde - weiter zu fischen oder das Geld von der Regierung zu bekommen. Er versteht erst die Frage nicht und als er uns mit einer leichten Verwunderung die Antwort gibt, schäme ich mich überhaupt danach gefragt zu haben.

Shirotsugu Anoda. Iwaki (いわき市). Hisanohama (久之浜). Präfektur Fukushima

- Das Fischen garantiert nicht immer kommerziellen Erfolg: manchmal hat man ein richtig großen Fang, und dann kann es passieren dass man mehrere Tage am Stück nichts fängt. Außerdem hängt die Arbeit sehr stark vom Wetter, Stürmen und Tsunamis ab. Das spielt keine Rolle, auch wenn die Entschädigung größer ist als das verdiente Geld. Hier geht es nicht ums Geld. Als ich 15 war fing ich hier mit meinem Vater zusammen an zu fischen. Mein ganzes Leben verbrachte ich hier an diesem Ort. Wie soll ich das alles in Geld werten?

Es ist offensichtlich dass er es nicht gerade als angenehm empfindet, uns solche einfachen Sachen zu erklären.

 

Wir verabschieden uns von Shirotsuga Anoda und fahren weiter zum spektrometrischen Labor in Iwaki.


 

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Von Yevgen KRANZ Goncharenko

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