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Pripjat, Sperrzone von Tschernobyl und andere verlassene Orte

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Iwaki (いわき市). Präfektur Fukushima. Dritter Tag

Iwaki (いわき市). Präfektur Fukushima. Dritter TagDie Stadt Iwaki. Der 24. Dezember 2011. Um 9:00 sind die Dreharbeiten im Hafen von Hisanhoma beendet, wir kehren zurück nach Onahama, Iwaki. Die Straße führt durch die Küstenregion, die durch den Tsunami am 11. März 2011 vollständig zerstört wurde. Überall wird gebaut, man sieht bereits viele neue, fertiggestellte Häuser. Die ganze Küstenregion ähnelt einer riesigen Baustelle. Ganbaro Fukushima.

Ganbaro (頑張ろう, がんばろう)

„Ganbaro“ ist kein einfaches Wort, es ist der Inbegriff der japanischen Mentalität. Ich denke, es könnte schwierig werden dieses Wort in andere Sprachen zu übersetzen. Manchmal übersetzt man es als „sich anstrengen“, „kämpfen“ oder „standhalten“. Dieser Ausdruck ist jedoch wesentlich umfangreicher. Es bedeutet „sich mit aller Kraft zusammenreißen um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen“ und gilt als Aufruf um sich selbst zu motivieren: „sich anstrengen mit der ganzen Kraft“ und „wir werden kämpfen!“. Unabhängig davon was man macht, ob Zeitungen austragen, Fische fangen oder Reis anbauen – du musst „Ganbaro!“. Und gleichzeitig, wenn du jemandem „ Ganbaro“ zurufst, heißt es nicht nur, dass du ihn bittest nicht aufzugeben, sondern dass du an seinen Willen glaubst und ihn unterstützt.

Während des gesamten Aufenthaltes in Fukushima, als ich die Bauarbeiten in den vom Tsunami zerstörten Gebieten und die Versuche die Straßen und Schulen zu dekontaminieren sah oder mich mit den freiwilligen Dosimetristen unterhielt, drehte sich dieses Wort in meinem Kopf.

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Um 11 Uhr erreichen wir das „spektrometrische Volkslabor“ „Iwaki Radio-Proof Centre“. Obwohl in Iwaki ein offizielles ökologisches Mess- und Monitoringzentrum existiert, haben sich die Bürger entschlossen ihr eigenes Labor zu organisieren. Mit dem Geld aus dem Fond der Kinder von Fukushima wurden zwei Spektrometer angeschafft: das deutsche LB2045 der Firma Berthold Technologies GmbH & Co.KG und das weißrussische „Gamma activity monitor AT1320A" von der Firma Atomtex, sowie einen Ganzkörperzähler - „AT13116" ebenso von Atomtex. Seitdem bringen die Bürger alles was sie anbauen oder auf dem Markt kaufen zum untersuchen hierher. Stand Ende Dezember 2011- ist die Liste der eingetragenen Untersuchungstermine bis Ende März 2012 ausgebucht.

Das Labor ist in einem kleinen Büroraum untergebracht. Die Leiterin heißt Keiko Suzuki, einer attraktiven Frau mit einem bezaubernden Lächeln.

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Das Labor wurde im Juli 2011 eröffnet und wenn man sich die Messwerte der untersuchten Luft-, Wasser- und Lebensmittelproben in dem geführten Buch anschaut, kann man sich ein Urteil über die Dynamik der Veränderung von der Zusammensetzung und der Konzentration der Nuklide bilden. Während bei den ersten untersuchten Proben noch 131I zu finden war, kommen darin neun Monate später nur 134Cs, 137Cs und das natürliche 40K vor. In all den untersuchten Lebensmitteln finden sich vor allem im aus der Umgebung gefangenen Fisch die höchsten Konzentrationen.

Auf dem Tisch im Labor steht ein Korb mit Tütchen. Es ist Gewürzsalz, ein Geschenk aus Hiroshima. Man kann es für 100 Yen (ca.1 Euro) kaufen, das Geld fließt in die Kasse des Zentrums. Wir haben ein Tütchen gekauft. Es duftet einfach herrlich.

Auf dem Rückweg vom Labor ins Hotel sahen wir Menschen die einen kleinen Straßenabschnitt fleißig am säubern waren. Dekontaminierung? Unser ganzes Team schaut fragend in meine Richtung: „Wie viel strahlt es hier?“. Ich komme in Verlegenheit. Mein Strahlenspürgerät MKS-11 „Spectra“ zeigt einen ganz natürlichen Wert von 0,18-0,2 uSv/h. Wir steuern auf den Leiter der „Putzkolonne“ Seiichi Aoki zu

— - Wir leben hier, und unsere Kinder gehen entlang dieser Straße zur Schule. Wir wissen dass die Gamma Umgebungsstrahlung nicht höher sein darf wie 0,2 uSv/h. An einer Stelle haben wir 0,21 uSv/h gemessen. Wir können nicht die Gesundheit unserer Kinder riskieren, deswegen säubern wir solange bis die Werte unter 0,2 uSv/h sinken.

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Wir kehren zu unserem Hotel in Taira zurück. Morgen, am 25. Dezember um 5:00 geht es nach Minamisoma (南相馬市), die Stadt an der Grenze zur 20 km Sperrzone rund um das AKW Fukushima-Daiichi.


 

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Von Yevgen KRANZ Goncharenko

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