Region Schytomyr, Kreis Narodytschi.
Region Kyjiw, Kreis Iwankiw.
Bober, Schewtschenkowe, Kotowske, Rudnja-Ososchnja, Mali Minky.
Im Gegensatz zu den anderen Ausflügen wurde unsere heutige Reise nicht geplant. Wir haben uns einfach ins Auto gesetzt und sind Richtung Norden gefahren.
Das Dorf Bober war zu Sowjetzeiten für seine Butterfabrik bekannt. Und zwar nicht für die im Jahre 1928 am Flußufer gebaute Fabrik selber, sondern für deren Produktion. Die Butter aus Bober kannte man in der ganzen UdSSR. Ich kann mir gut vorstellen, wie stolz die Einheimischen damals auf ihre Butter waren, als sie im Jahre 1958 auf der Messe in Brüssel mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.
Vom AKW bis zum Dorf sind es 48 km Luftlinie. Dennoch hat die Entfernung das Dorf nicht retten können. Der radioaktive Fallout der „westlichen Spur“ machte diese Gegend unbewohnbar. Kurz darauf verließen die Menschen das Dorf.
Der Mittelwert der Gammastrahlung beträgt hier um die 40 µR/h (0,4 µSv/h). Es gibt jedoch Stellen, an denen man um die 500–600 µR/h und 140–160 Betazerfälle pro Minute und Quadratzentimeter messen kann.
Wir waren früher schon mal in Bober. Hier sind einige Aufnahmen vom Winter 2005.
Wir verlassen Bober und fahren in Richtung „Poliske“. Unser GPS Navigationsgerät macht schlapp, und nun versucht Natalja, die Route mit Hilfe der ukrainischen Straßenkarte zu bestimmen. „Was meinst du, sollen wir hier Richtung Westen fahren? Hier müßte es einen Weg geben...“ Ich überlege nicht lange, wir werden es sehen...Sollte es dort diesen Weg geben, so können wir nach Rudnja-Ososchnja und Mali Minky kommen und möglicherweise sogar nach Swisdal.
Ich kann mich entsinnen, daß wir schon mal versucht haben, von „Basar“ und „Welyki Minky“ aus bis zu den vorgenannten Dörfern zu gelangen. Die erste Route führte zu der zerstörten Brücke über den Fluß Swisdal. Bei dem zweiten Versuch blieben wir auf dem Waldweg zwischen Welyki Minky und Rudnja-Ososchnja im Sand stecken. Jedenfalls mußten wir wieder zurückkehren und über „Schyscheliwka“ einen Umweg machen.
Und schon fahren wir auf einer ziemlich schmalen, aber dafür asphaltierten und gut erhaltenen Straße. Vereinzelt, zwischen den Bäumen, werden die Ruinen des Dorfs Schewtschenkowe sichtbar. Ab hier erhöhen sich die Gammastrahlenwerte. Wir halten an um ein paar Messungen durchzuführen. Die Gammastrahlung liegt hier um 500 µR/h (5 µSv/h) und es gibt etwa 150 Betazerfälle pro Minute und Quadratzentimeter. Ehrlich gesagt ist dies für diese Gegend ziemlich ungewöhnlich. Außerdem sind es nicht die üblichen kleinen Stellen (sog. Flecken), sondern Flächen von einigen Kilometern Länge. Wir passieren die Stelle mit den höchsten Werten. Die Strahlung geht langsam zurück bis auf 150–200 µR/h (1,5–2 µSv/h). Die Straße nach der Brücke über den Fluß Butscha führt uns zum Dorf Rudnja-Ososchnja.
Eine unglaublich schöne Gegend. Von der Brücke aus starren wir wie verzaubert in die Ferne. Das Dorf erstreckt sich entlang des Ufers des kleinen Flusses Butscha und wurde von dem naheliegenden Wald fast vollständig verschlungen. Nicht weit von uns läßt sich ein Reh blicken. Scheu schaut es aus dem Schilf hervor; doch dann siegt die Angst über die Neugier, und es verschwindet blitzartig in den Wald. So muß es auch sein: Der Mensch ist der Feind – so lautet die Regel im Kampf ums Überleben für alle Tierarten. Leider wird auch hier viel zu oft illegal gejagt. Der größte Teil des Dorfs wurde Ende der 90er Jahre durch Waldbrände vernichtet. Die Spuren der Planierraupen sieht man heute immer noch. Die Werte der Gammastrahlung liegen hier bei
Wir fahren weiter zu unserem letzten Ziel für heute – dem Dorf Mali Minky.
Wir lassen das Auto mitten im Zentrum des Dorfs stehen und gehen die Hauptstraße entlang. Straßenschilder sind nirgendwo zu sehen; doch für mich besteht kein Zweifel daran, daß sie irgendwann Leninstraße hieß. Wir sind nicht zum ersten Mal in Mali Minky. Im letzten Sommer kamen wir von Schyscheliwka aus hierher.
Die Durchschnittswerte der Gammastrahlung sind hier nicht besonders hoch. Sie liegen bei
Dieses Haus hat den Winter nicht überstanden... Links sind die Fotos vom Sommer 2006.
Die herbstliche Sonne wandert unaufhaltsam Richtung Horizont. Die gelben Blätter bekommen einen goldenen Stich. Die Schatten werden unnatürlich langgezogen.
Die Sonne versteckt sich hinter dem Waldrand. Es dämmert in Polissia. Nun geht unsere ungeplante Reise zu Ende. Wir setzen uns ins Auto und fahren langsam in die entgegengesetzte Richtung. In absoluter Dunkelheit passieren wir das Dorf Kotowske. Unterwegs beschäftigt mich immer wieder der gleiche Gedanke: Manchmal macht es Sinn, lieber einen unbekannten Weg zu nehmen, um zum Ziel zu kommen.
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