Wir steigen aus dem Auto (die Umgebungsstrahlung beträgt 500 mkR/St) und gehen zum Friedhof (alles was vom Dörfchen Janiv-Pidlissniy überblieb). Am Strasssenrand sieht es ganz anders aus – das müde Piepen der Dosimeter übergeht in ein monotones Summen (10-15 mR/St ist nicht ungewöhnlich für diese Gegend).
In der Ferne hinter den Bäumen schimmert das Kraftwerk. Bis zum vierten Block sind es etwas mehr als anderthalb Kilometer. Die Nordspur. Eine hohe Konzentration von Transuranen. Dekontamination wurde hier nicht durchgeführt. Auf dem Friedhof, vermischt mit den Grabkreuzen, stehen die gelb-schwarzen dreieckigen Strahlengefahrschilder. Hier gibt es keine Grabkränze, keine hässlichen Plastikblumen... Niemand kommt mehr hierher um die Gräber zu besuchen. Ich halte mich kurz auf, um den zerschossenen Obelisk zu fotografieren. Wer liegt hier begraben? Wer und wozu schoss auf dieses Denkmal?..
Der Hafen. Die Kräne.
In Wirklichkeit wurde der Güterhafen von Pripjat vor der Katastrophe nie richtig in Betrieb genommen (sie schafften es nicht). Selbst nach dem Unfall wurde nur einer von den insgesamt vier Kränen betrieben. Genau der, links auf dem Foto. Das Bild in der Mitte – aus dem Führerhaus des Kranes.
Im Mai 86 gelang es mit viel Mühe, das Führerhaus von 8 R/St bis auf 2-3 R/St zu säubern. Heutzutage ist die Strahlung dort höchstens um die 100 mkR/St. Man braucht lediglich auf den mit Maschinenöl verschmierten Ausleger zu klettern, und der Pegel steigt plötzlich bis 15-20 mR/St.
Das war es für heute. Alle sind müde und schwer beeindruckt. Wir fahren nach Tschernobyl, um Abend zu essen. Danach folgt ein Spaziergang bis zum Schiffsfriedhof . Wir sitzen auf dem Deck eines verrosteten Schleppers und schauen in den Sternenhimmel.
Am Morgen des nächsten Tages. Eine Dusche, Tasse Kaffee, eine Zigarette. Nun fahren wir über die Bahnstation Janiv nach Nowoschepelytschi. Unterwegs biegen wir ab zum ehemaligen Verladeterminal der Bahnstation.
In Nowoschepelytschi interessierte mich nur ein verlassenes BAT-M (schwerer Artilleriekettenschlepper). Wir finden ihn, machen Aufnahmen und fahren zurück.
- Wo führt denn dieser Weg hin?
- Fahr einfach. Wir werden es sehen.
Die asphaltierte Strasse geht in einen Schotterweg über. Nach ein Paar Kilometer endet der Schotterweg und wir fahren einfach über das Feld. Dem Feld folgt ein Wald, dem Wald folgt ein Feld und wieder ein Wald...O! Am Horizont werden halbzerstörte Häuser sichtbar. Wir haben weder GPS noch irgendwelche Karten zur Hand... Von besorgt brummenden Bremsenfliegen begleitet, fahren wir langsam hüpfend in das Dorf hinein. Ich erkenne es! Wir sind einfach nur von der anderen Seite gekommen.
- Und gleich kommen das Kulturhaus, ein Geschäft und ein Denkmal.
Genauso ist es auch. Das ist Stari Schepelytschi. Zuletzt war ich vor 4 Jahren hier und kam aus der Richtung Retschiza.
Wir passieren die Bahnstation Janiw und biegen ab nach Pripjat.
Unser Programm ist für heute beendet.
Juli 2010. Die Sperrzone von Tschernobyl. 35оС im Schatten, heiss.
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