Eine Stadt, die es auf keiner Karte gibt.
Zur gleichen Zeit, als ich anfing mich für das „legendäre und geheimnisvolle“ Überhorizont-Radar zu interessieren, stellte sich die Frage: „Wo steht eigentlich der Sender? Die Entfernung zwischen dem Sender und dem Empfänger in nordöstliche Richtung liegt bei etwa 70 km. Ich würde noch lange rätseln, wenn ich nicht durch einen Zufall auf einen Zeitungsartikel gestossen wäre, in dem ganz beiläufig eine ehemalige Militäranlage neben der kleinen Stadt Ljubetsch erwähnt wurde. Weitere Informationssuche bestätigte tatsächlich die Existenz der Senderzentrale (oder besser gesagt die Überreste) von „Ljubetsch-1“. Das Ziel der nächsten Reise stand somit für mich fest.
Es ist 10 Uhr früh am Samstag den 21. Januar 2006.
Wir verlassen Kiew bei Temperaturen von -25°С. Wir machen einen kurzen Halt, um in Brovary zu frühstücken. Um 11.40 erreichen wir die Grenze der Region von Tschernigow. Wegen dem starken Frost gibt es auf der Strasse so gut wie kein Verkehr.
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13:20. Die Abfahrt nach Ljubetsch
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Das Dorf Rudki. Die „Polessje“ Region rund um Tschernigow hat eine ganz besondere Aura. Die Bewohner horchen meinem in Kiew geprägten Ukrainisch zu und erraten ziemlich schnell meine Herkunft. Der hiesige Dialekt ist eigenartig und melodisch: eine wundersame Verschmelzung der ukrainischen, russischen und weissrussischen Sprache.
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14:05. Die Abfahrt nach Rossudiw ist mal wieder woanders, als auf der Karte gezeichnet (daran gewöhnt man sich als Reisender in der Ukraine) Ein paar Kilometer und wir fahren auf das Gelände des ehemaligen Militärstädtchens.
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Typische fünfstöckige Wohnblocks. Bis auf einige Spuren von Menschen und Autos Richtung ehemaliger Senderanlage, gibt es hier eigentlich kein Lebenszeichen. Einige Teile der Gebäude scheinen neu renoviert zu sein. Man sieht Spuren von Teer auf den Dächern und neu eingesetzte Fenster. Ich schätze, das ist das geplante Asylwohnheim. Man sieht nach wie vor keine Menschen. Die Häuser sind unbewohnt und die Türen verschlossen. |
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Der Weg zur ehemaligen Senderanlage. |
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Die Natur von „Polessje“ ist unglaublich schön. Manche zieht es ans Meer, die anderen in die Berge. Meine Frau und ich fühlen uns hier in dieser Gegend am wohlsten. Umgeben von diesen Wäldern, Wiesen und Moore.
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Wir gehen der Spur von den ausgegrabenen Kabelleitungen nach. |
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Noch ein paar Kilometer durch den märchenhaft verschneiten Wald und wir sind da: Ein verschlossenes Eingangstor, nicht bewachter Kontrollpunkt… Aber frische Reifenspuren im Schnee…? |
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Links befindet sich das Umspannwerk. Anscheinend ist es in Betrieb. Ich schätze von hier aus werden Dörfer Rossudiw oder Ljubetsch gespeist. Hierher führen ebenso frische Reifenspuren. |
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Der bequemste Ort, um sich umzusehen. Mit Schrecken erinnere ich mich daran, wie ich bei -25°С hier hochkletterte.
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Rechts am Ende der Allee befindet sich die ehemalige Sendeanlage. |
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Dort hinter den Tannen, 300 m von dem Wachturm entfernt, standen die Senderantennen des Überhorizont-Radars „Tschernobyl-2“.
Nach dem infolge der Reaktorkatastrophe aufgegebenen Empfängerradars, ergab weitere Nutzung der Senderanlage ebenso wenig Sinn. Und danach kam der Zerfall der Sowjet Union… Jedenfalls wurden die Antennen noch in den 90 ern demontiert.
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Die Sicht aus dem All (Google Earth) |