Die Fabrik Jupiter in Pripjat zählt zu den geheimnisvollen Objekten in der Sperrzone. Jedenfalls war es geheimnisvoll – bis etwa vor einem Jahr. Die Organisation namens SpezAtom, welche die Fabrik „besetzt“ hatte, verlor das Interesse daran und zog einfach aus. Für die Fabrik gab es anscheinend keine Verwendung mehr. Ich habe mich lange für dieses Objekt interessiert; es ergab sich bis jetzt leider keine passende Gelegenheit, es zu besuchen: Entweder hatte ich keine Zeit dafür oder SpezAtom keine Zeit für mich. Und nun mache ich mich auf den Weg, diesem geheimnisvollen und rätselhaften Ort einen Besuch abzustatten.
Die Fabrik Jupiter am Stadtrand Pripjats gehörte zu den „Top Secret“–Betrieben der ehemaligen Sowjetunion. Mit anderen Worten: Die Fabrik wurde für militärische Zwecke genutzt. Und überhaupt war es in der Sowjetunion gang und gäbe, für das Verteidigungsministerium zu arbeiten: Es war angesagt und wurde gut bezahlt. Unter Berücksichtigung des „friedlichen“ Charakters unseres Staates, arbeiteten ja praktisch alle für die Verteidigung: Vom Bauern, der eine Fischzuchtfarm betrieb, bis hin zur Hochschul–Abteilung für Atomphysik. Offiziell war Jupiter natürlich irgendein Ableger des Kiewer „Majak“–Werks und produzierte irgendwelche Gummiröllchen und sonstige Kleinteile für Tonbandgeräte. In Wirklichkeit war der Hauptartikel der Produktion ein geheimnisvolles „Produkt Nr. (danach folgte eine lange Zahlenkombination, die nur für Eingeweihte von Bedeutung war)“. Alles, was ich über dieses „Produkt“ bei den Leuten, die dort mal gearbeitet haben, herausfinden konnte, war nur, daß es eine riesige Recheneinheit von der Größe eines Schranks oder ein Modul einer Rechenzentrale fürs Militär war. Mehr Informationen darüber konnte ich nicht auftreiben.
Nach dem Unfall von 1986 kam Jupiter in die Kategorie der Betriebe, die man einerseits nicht aufgeben wollte, aber wo andererseits die Dekontamination nur mit großer Mühe durchgeführt werden konnte. Die Liquidatoren, die damals dort eingesetzt waren, erinnern sich an ihre mühselige und oft erfolgslose Arbeit: Jupiter war von der sogenannten „westlichen Spur“ des radioaktiven Fallouts gestreift worden...
Und dann ging Jupiter für viele Jahre in den Besitz der SpezAtom über. Hier wurde diverse Robotertechnik für Arbeiten am havarierten Block des AKWs Tschernobyl entwickelt, gebaut und getestet. In den ehemaligen Werksräumen wurden verschiedene Labors eingerichtet.
Wir begehen die riesigen Produktionshallen, unzählige Laborräume und Büros. Sie sind einen Besuch wert, momentan zumindest. Noch gibt es viele Maschinen, Werkzeuge und Geräte zu sehen. Nach einiger Zeit wird es hier auch wie in jedem anderen verlassenen Objekt der Zone aussehen: Sauber und leergeräumt.
Ach ja! Zum Thema Sauberkeit: In den Kellerräumen der Fabrik wurden diverse Labors und Lagerräume eingerichtet. In Letzteren wurden Proben verschiedener Materialien gelagert. Ein verlockender Ort für Fans der unterirdischen Extreme. Genau hier, zwischen den Regalen, gefüllt mit allerlei chemischen Substanzen und diversem Laborbedarf, stießen wir auf eine einsam dastehende, schwarze Metallkiste, befüllt mit einer Art schwarzem Sand. Das Dosimeter zeigte dort stolze 160 mR/h und über 200.000 Beta–Zerfälle pro Minute.
Das war es dann für heute von “Jupiter“.
Mit einer Diesellok durch die Zone< Zurück | Weiter >Bahnhof Janiw |
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