Die Evakuierung des Personals aus der Sperrzone am 11.Dezember 2012 versetzte die Stadt Tschornobyl in einen Zustand der Unbestimmtheit und des bangen Wartens auf eine Lösung der unanagenehmen Situation. Während die Elektriker die beschädigten Leitungen reparierten und die Räumungsdienste die Straßen vom Schnee befreiten, bereitete das Wetter immer weitere Probleme – nach dem Temperaturen um den Gefrierpunkt die Schneemassen zum tauen brachten, wurde es mit bis zu 20 Grad noch einmal frostig. Es war offensichtlich dass wenn man nicht so schnell wie möglich die Stromversorgung wiederherstellen konnte, man alle Wasseraufbereitungs- und Heizsysteme unwiderruflich verlieren würde. Eine Rückkehr des Personals wäre unter diesem Szenario schlicht weg undenkbar…
18.12.2012. Tschornobyl. Die Rückkehr
Zum Ende der Woche schaffte man es, die Situation ein wenig zu verbessern – einige Stunden am Tag gab es Wasser und Wärme. Es bestand die Hoffnung dass das Personal am Montag, den 17. Dezember nach Tschornobyl zurückkehren würde.
Sonntag. 16.Dezember, im Bus „Kiew – Tschornobyl“. Die Mehrheit des Personals, die in der „Montag bis Donnerstag“ Schicht arbeiten, kommen Montagmorgen in ihren „Zonenbussen“ zur Arbeit. Trotz dem gibt es einige wenige die es bevorzugen mit dem „zivilen“ Bus schon am Sonntag Abend anzureisen.
Die Mitreisenden sind mir alle bekannt. In den Gesprächen geht es immer um das gleiche Thema: Ist in Tschornobyl soweit alles fertig oder nicht?
Auf halbem Weg nach Tschornobyl, neben Iwankiw, klingeln plötzlich gleichzeitig alle Mobiltelefone.
- Wie sollen wir denn nach Hause kommen? Warum? Wie lange sollen wir warten?..
Ein zuständiger Beamte aus Tschornobyl ruft alle Betriebsleiter an, diese wiederrum verkünden die Anweisungen an ihre Mitarbeiter: „ Am Montag, den 17. Dezember bleibt das Personal der „4/3“ Schicht zu Hause. Die Situation ist unter Kontrolle, jedoch können wir wegen der Minustemperaturen die Stadt nicht vollständig mit Elektrizität und Wärme versorgen. Bitte warten Sie auf weitere Anweisungen.“
Im Bus beginnt eine rege Diskussion. Die Mehrheit steigt in Iwankiw aus und kehrt zurück nach Kiew.
Tschernobyl, 16.Dezember. Die Heizkörper sind bereits warm, jedoch ist es im Gebäude noch kühl. Mit etwas Hoffnung gehe ich zum Verteilerkasten. Ich drehe den Hauptschalter und bekomme als Antwort das angenehme Summen der Transformatoren. Hurra! Es gibt schon mal Strom, aber kein Wasser. Halb so schlimm, es gibt genügend Wasser draußen, in Form vom Schnee. Ich gehe nach draußen um den Wasserkocher mit Schnee zu füllen - ein heißer Kaffee ist jetzt genau das richtige.
Es ist Abend, und nun funktioniert auch das Handynetz wieder: ein Sender von insgesamt drei verfügbaren Providern hat sein Betrieb wieder aufgenommen.
Montag, der 17.Dezember.
Es ist sonnig, bei Temperaturen um -20оС. Unter den Schuhen knirscht laut der Schnee. Tschornobyl, das sonst jeden Montag durch die „4/3“ Schicht auflebt, ist heute still und menschenleer.
Das Mobilfunknetz funktioniert wieder. Ich rufe alle möglichen Bekannten an in der Hoffnung irgendwelche Neuigkeiten zu erfahren. Die Informationen sind widersprüchlich, aber heute findet die Sitzung der Verwaltung statt, alle erwarten eine baldige Lösung…
Am 17.Dezember entscheidet die Ausschusssitzung der staatlichen Agentur zur Verwaltung der Sperrzone, dass das Personal der „4/3“ Schicht am 18. Dezember in die Stadt Tschornobyl zurückkehren wird.
Dienstag, der 18.Dezember. Der Notstand ist beendet, alle sind zurückgekehrt.
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